Margarete Schweikert

Frühe Berufsjahre

Margarete Schweikert hat sich entschlossen auf ein Leben als vielseitige Künstlerin vorbereitet: Sie zog eine musikalische Ausbildung der schulischen vor und verzichtete auf das Abitur. Zum 21. Geburtstag im Jahr 1908 ließ sie sich von ihren Eltern statt einer Aussteuer eine wertvolle Geige schenken, auf der sie konzertieren konnte.

Bereits in ihren ersten Auftritten außerhalb ihrer Ausbildungsstätten setzte Margarete Schweikert auf die Kombination von Mitwirkung als Geigerin und Aufführung ihrer eigenen Kompositionen. So wurden ihre Lieder Mädchenbitte, Wandert, ihr Wolken, wandert und Barbarazweige und die Serenade auf dem Meer für Gesang, Violine, Englischhorn und Klavier am 24. Februar 1907 beim Evangelischen Männerverein der Karlsruher Weststadt aufgeführt. Am 14. April 1908 musizierte sie beim Arbeiter-Diskussionsclub Karlsruhe bei einer Passions-Vorlesung nach der Evangelienlesung von Herrn Hofschauspieler Felix Baumbach einzelne Sätze aus Violinsonaten von Arcangelo Corelli und Johann Sebastian Bach. Im Karlsruher Museumssaal sang Otto Wessbecher am 2. Oktober 1911 Lieder Karlsruher Komponisten: aufgeführt wurden Werke von Alexander von Dusch, Margarete Schweikert, Ludwig Keller und Clara Faisst. Vor Beginn des Ersten Weltkriegs fällt die Zusammenarbeit mit der Sopranistin Emma Holl und dem Pianisten Adolf Benzinger aus Stuttgart, die wohl über Studienkontakte in der schwäbischen Hauptstadt entstanden sind.

Immer wieder machte Schweikert sich auf die Suche nach geeigneten Gedichten und komponierte neue Lieder. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte die Lyrik zwar an Bedeutung verloren, dennoch konnte keine Zeitung – allein in Karlsruhe gab es damals rund ein halbes Dutzend Tageszeitungen! - auf den Abdruck von Gedichten verzichten.

Programmzettel Orgelkonzert im Münster zu Basel am 17. September 1912
Programmzettel Orgelkonzert im Münster zu Basel am 17. September 1912

Bald konnte sie als Komponistin erste Erfolge außerhalb Karlsruhes feiern. Die Badische Landeszeitung vom 29. Oktober 1912 berichtete: „Der von der einheimischen Komponistin Margarete Schweikert nach Worten des 104. Psalms für Sopran, Violine und Orgel gesetzte Lobgesang hat kürzlich im Münster zu Basel seine siebte Aufführung erlebt. Das Werk, das jetzt im Druck erschienen ist, ist der Karlsruher Oratoriensängerin Frau Anna Vierordt-Helbing (Gattin des Dichters [Heinrich Vierordt]) zugeeignet, welche auch die Sopranpartie bei der Erstaufführung [am 25. September 1910 mit dem Baseler Münster-Organisten Adolf Hamm an der Orgel] in der gewaltigen Gedächtniskirche zu Speyer gesungen hat.“ Die Idee zu diesem Werk könnte in der Folge des Festkonzerts vom 19. September 1909 zur Orgelweihe in der evangelischen Christuskirche zu Achern entstanden sein, bei dem Anna Vierordt-Helbing, Margarete Schweikert und Adolf Hamm gemeinsam musiziert hatten. Die Reaktion im Basler Anzeiger auf das dortige Konzert zitierte die Badische Landeszeitung vom 24. September 1912: „... Als Komponistin von Psalm 104 für Sopran, Violine und Orgel zeigte sie ein ungewöhnliches Talent, von dem noch Schönes zu erwarten sein dürfte.“ Und am 15. November 1912 legte die gleiche Zeitung nach: „Als Komponistin hat mir Marg. Schweikert Respekt eingeflößt. Sie weiss ihre Texte treffend zu illustrieren, findet einen glücklichen, nicht in ausgetretenen Pfaden sich bewegenden musikalischen Ausdruck.“

Das Prospekt der Verlagsbuchhandlung F. W. Gadow & Sohn Hildburghausen über die Neuerscheinungen des Herbstes 1912 zitiert Löbliches aus drei Kritiken zu Schweikerts Lobe den Herrn! (nach Worten des 104. Psalms) für eine Singstimme (Sopran oder Tenor) mit Begleitung von Violine und Orgel; genannt werden das Mannheimer Tageblatt, das Heidelberger Tageblatt und die Pfälzische Presse.

Zu dieser Zeit trat Margarete Schweikert als Geigerin in Karlsruhe, aber auch in anderen süddeutschen Orten wie Würzburg, Nürnberg und Stuttgart auf. In diesen Konzerten wurden auch Lieder von ihr vorgetragen. 1912 wurde ihre erste Liedersammlung, die Sechs Lieder für eine Singstimme und Klavier, im Wunderhorn Verlag München gedruckt, 1913 das Singspiel für Kinder Der Froschkönig nach einem Text von Erika Ebert im Karlsruher Eintrachtsaal in einer Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten des Vinzentiushauses uraufgeführt. Das Karlsruher Tagblatt vom 1. Dezember 1913 berichtete nicht nur, dass Großherzogin Hilda mit Gefolge anwesend war, es lobte auch die Musik der in Karlsruhe bereits gut bekannten Tonschöpferin: „Eine künstlerisch bedeutende Leistung hat Margarete Schweikert mit der Musik zu diesem Märchenspiel gegeben. Sonst die ernste Komponistin, findet sie hier auch schlichte und süße Melodien. Damit bekundet sie zweifellos eine vielseitige Gestaltungskraft. (…) Sie weiß mit den angewandten Mitteln, die gerade des schlichten Märchencharakters wegen in knappem Rahmen bleiben, so viele zu sagen, daß man darin eine neue Probe ihres starken Talents erblicken kann.“ Im Dezember 1914 wurde das Märchenspiel im Großherzoglichen Hoftheater wiederholt: „Mit großem Interesse und lebendiger Anteilnahme folgten die jugendlichen Zuschauer der mit einem weihnachtlich-patriotischen Vor- und Nachspiel umrahmten Geschichte von der unartigen und herzlosen Prinzessin, die erst durch Not und Arbeit geläutert werden muss.“ (Karlsruher Zeitung vom 18. Dezember 1914) Und weiter: „Die von Margarete Schweikert zu dem Märchen geschaffene Musik für Kammerorchester zeichnet sich durch charakteristischen Stimmungsgehalt, Frische und Natürlichkeit aus; die Erfindung ist selbständig und die satztechnische Arbeit sowie die Instrumentation zeigen ein vorgeschrittenes Können.“ Etliche Kritiker mahnten aber an, dass das Werk für Kinder zu schwierig, für Erwachsene aber zu schlicht sei.

Trotz dieses Erfolges hat Margarete Schweikert die Erfahrung mit einem größeren Aufführungsapparat nicht wiederholt - es war ihr einfach zu nervenaufreibend. Zukünftig beschränkte sie sich auf ihre Lieder, die sie meist selbst begleitete. Sie war also nicht nur eine hervorragende Geigerin, sondern auch eine sehr gute Pianistin, denn ihre Klaviersatz ist durchaus ambitioniert. Als Violinvirtuosin spezialisierte sie sich auf Kammermusik, nie trat sie als Solistin mit großen Orchestern auf.

Ihre Konzerte der 1910er Jahre führten Margarete Schweikert in den gesamten süddeutschen Raum. Sie musizierte mit angesehenen Künstlerinnen und Künstlern, Sängerinnen und Sängern, die an bedeutenden Opernhäusern engagiert waren. Überzeugte und sicherlich auch überzeugende Interpreten ihrer Lieder waren der Karlsruher Bariton Otto Weßbecher und sein Stuttgarter Kollege Hermann Conzelmann. Auch Lothar Lessig, der am Landestheater Karlsruhe engagiert war, setzte sich für die Lieder der Komponistin ein. Die Zusammenarbeit mit der Sopranistin Emma Holl aus Stuttgart ist zwischen 1913 und 1921 nachgewiesen.

Margarete Schweikerts schöpferische Fähigkeiten wurden nicht nur in der Heimatstadt anerkannt. Von einem Konzert im Nürnberger Adlersaal berichtete der Fränkische Kurier Nürnberg vom 10. November 1912: „Musikalisch am intensivsten empfindet wohl Fräulein Schweikert. Sie weiß – gewiß bei Damen eine Ausnahmeerscheinung – als Tonsetzerin zu fesseln. Die Lieder, die man von ihr zu hören bekam, verraten Begabung für scharfumrissene [!] musikalische Zeichnung. Sie versteht ihre Texte tonlich zu untermalen, oft mit ganz einfachen Mitteln, und trifft meist die Stimmung mit sicherem Empfinden. Auch da, wo man mit ihrer Auffassung des Gedichts nicht [mit-]gehen kann, imponiert der Ernst ihres Strebens. Die musikalische Erfindung ist, wenn nicht gerade bedeutend, so doch nicht unselbständig. (…) Als Geigerin zeigte Fräulein Schweikert in der H-moll-Sonate von Bach und in der schönen A-dur-Sonate von César Franck warmen Gesangston und bedeutendes Können.“ 


Die Nordbayrische Zeitung vom 11. November 1912 sekundierte: „Als Komponistin hat mir Frl. Schweikert Respekt eingeflößt. Sie weiß ihre Texte (manche sind zwar von zweifelhafter Güte) treffend zu illustrieren, findet einen glücklichen, nicht in ausgetretenen Pfaden sich bewegenden musikalischen Ausdruck.“ Nicht ganz so günstig berichtete der Nürnberger Generalanzeiger: „In modernem Fahrwasser segelnd, recht seltsame Texte benützend, ringt sie in Gesang und Klavierbegleitung – hier mit bemerkenswertem Geschick – nach glücklichem musikalischem Ausdruck. Wie weit es ihr gelungen, kam mir wahrhaftig nicht deutlich genug zum Bewußtsein, obwohl die Komponistin sich mit Frl. Lippe der denkbar besten Interpretin erfreuen konnte.“ Aus dem Jahr 1916 stammt eine Würdigung der Interpretin und Komponistin aus dem Neuen Stuttgarter Tagblatt, die in der Badischen Landeszeitung vom 19. September 1916 in der Rubrik 'Aus der Residenz' nachgedruckt wurde: „Als Violinkünstlerin wie als Komponistin hat sich Marg. Schweikert schon früher mit schönem Erfolg eingeführt. Auf beiden Gebieten zeigte sie sich auch diesmal wieder als reich begabte, lebhaft und vornehm empfindende Künstlernatur, die in einer gründlich durchgebildeten Spiel- und Satztechnik die Mittel zur Verfügung hat, die tiefsten und feinsten Regungen verwandten und eigenen musikal. Innenlebens klingend zu vermitteln. Ihre Kunst in Spiel und Tondichtung trägt den Stempel innere Echtheit und reiner Vornehmheit. Auch da, wo sie im eigenen Schaffen nur zu bewährten Ausdrucksmitteln von Grösseren greift.“